Berufsunfähigkeitsversicherung trotz Psychotherapie
Psychische Erkrankungen waren bislang ein Ausschlusskriterium für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung – zu hoch erschien den Versicherern das Risiko einer Berufsunfähigkeit durch einen Rückfall, wenn ein Antragsteller in den letzten fünf Jahren in psychotherapeutischer Behandlung war. Die Bayerische geht nun einen neuen Weg: Bei ihr sollen psychische Erkrankungen nicht mehr den Abschluss der BU Versicherung verhindern.
Neuer Ansatz für die Berufsunfähigkeitsversicherung
Das Unternehmen testet seit Ende 2022 bei Anfragen von Interessenten für eine BU Versicherung einen neuen Ansatz. Es geht darum, die pauschale Ablehnung des Antrags zu vermeiden, nur weil der Antragsteller psychische Erkrankungen in seinem Gesundheitsfragebogen angeben musste. Der Versicherer hat sich für die neue Vorgehensweise eine Psychologische Psychotherapeutin ins Boot geholt. Diese hat den Anfrageprozess grundsätzlich überarbeitet. Nach dem mehrmonatigen Test ziehen nun die Expertin und die Fachleute der Bayerischen eine positive Zwischenbilanz.
Individuelle Prüfung aller Anträge auf BU Versicherung
Bemerkenswert ist das Vorgehen der Bayerischen vor allem deshalb, weil im gesamten Versicherungswesen inzwischen die KI Einzug gehalten hat. Sie bearbeitet automatisiert Versicherungsanträge. Die Chancen, sich gegen die Folgen von Berufsunfähigkeit abzusichern, sinken damit: Künstliche Intelligenz orientiert sich an standardisierten Vorgaben. Diese besagen in der Regel, dass psychische Erkrankungen ein Ausschlusskriterium für den Abschluss der Police sind. Die Bayerische bewegt sich nun genau in die entgegengesetzte Richtung. Wenn im Gesundheitsfragebogen psychische Erkrankungen vermerkt sind, prüfen ihr Mitarbeiter solche Anfragen individuell. Die psychologische Expertise hilft ihnen dabei. Es ist nämlich möglich, das Risiko für eine Berufsunfähigkeit sehr differenziert zu betrachten, wenn Antragsteller psychische Erkrankungen melden.
Bemerkenswerte Zwischenbilanz
Die von der Bayerischen gezogene Zwischenbilanz fällt bemerkenswert aus. Nachdem nicht mehr kritische Anträge pauschal abgelehnt, sondern einer genauen Begutachtung unterzogen werden, gibt es viel mehr Zusagen für eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Bayerischen. Es kostet das Team viel Zeit, jeden Antrag so genau zu prüfen, wie das Vorstandsmitglied der Bayerischen Martin Gräfer erklärte. Doch es lohne sich für die Versicherungsnehmer. Einige Zahlen im Detail:
- 39 % der Anträge, welche ohne dieses Verfahren abgelehnt worden wären, wurden nun ohne Einschränkungen bewilligt.
- Weitere 44 % der Antragsteller erhalten die Berufsunfähigkeitsversicherung unter leicht erschwerten Bedingungen (etwas teurer, möglicherweise Leistungsausschluss bei bestimmten psychischen Erkrankungen).
- Wichtig ist diese Initiative, weil 28 % der Berufstätigen irgendwann in ihrem Leben von psychischen Erkrankungen betroffen sind.
- Die Fehltage wegen dieser Erkrankungen stiegen laut DAK im letzten Jahrzehnt um 48 %.
- Das Sozialforschungsinstitut Ipsos ermittelte für 2022 eine zeitweilige Arbeitsunfähigkeit durch psychische Erkrankungen bei 36 % der Befragten.
Besseres Verständnis für die Antragsteller
Die Fachleute der Bayerischen betonen, dass es darum gehe, Einzelfälle mitsamt ihrer Therapievergangenheit besser zu verstehen. Nicht jede psychische Erkrankung führt unweigerlich zur Berufsunfähigkeit. Nicht einmal das Risiko muss deutlich erhöht sein. Das hängt von der Art der Erkrankung, aber auch vom derzeitigen Lebensstil der Betroffenen ab. Zudem stützte sich die Bewilligung der Berufsunfähigkeitsversicherung bislang vor allem auf den Fakt der absolvierten Psychotherapie. Dieser müsse aber nicht negativ bewertet werden, so Martin Gräfer. Vielmehr hätten die Betroffenen doch gezeigt, dass sie Hilfe annehmen und zur Selbstreflexion fähig seien. Man wolle ihnen daher nicht mehr die begehrte BU Versicherung verweigern.